Fliegenpilz

Der Fliegenpilz ist einer der bekanntesten Pilze überhaupt. Und das nicht nur wegen seiner auffälligen Erscheinung. Mit seinem leuchtend roten Hut und den weißen Punkten sieht er aus wie aus einem Märchenbuch. Kein Wunder also, dass er in zahlreichen Kinderbüchern, Märchen und Glückssymbolen auftaucht. Doch hinter seiner hübschen Fassade steckt ein hochwirksamer Giftpilz, der Respekt verdient.
Früher wurde der Fliegenpilz nicht nur als Fliegenfalle verwendet, sondern auch in spirituellen und schamanischen Kontexten.1 Heute fasziniert er vor allem durch seine Biochemie und seine Rolle im Ökosystem: als Mykorrhiza-Pilz unterstützt er vor allem Birken bei der Nährstoffaufnahme.2 Auch wenn er nicht essbar ist, lohnt sich ein näherer Blick auf seine Geschichte und Bedeutung.
Der wissenschaftliche Name des Fliegenpilzes lautet Amanita muscaria. Weitere bekannte Namen sind „Roter Fliegenpilz“, „Fliegentöter“ oder schlicht „Fliegenfänger“. Der Namenszusatz „muscaria“ leitet sich vom lateinischen Wort für Fliege („musca“) ab und verweist auf seine historische Nutzung als Insektengift.
Herkunft, Geschichte und kulturelle Bedeutung
Der Fliegenpilz wächst in der gesamten Nordhalbkugel – von Europa über Asien bis Nordamerika. Schon früh wurde er in Mythen und Ritualen genutzt. In Sibirien etwa war Amanita muscaria Teil schamanischer Trancerituale: Getrocknet und in kleiner Dosis eingenommen, sollte er Bewusstseinsveränderungen hervorrufen.1
In Mitteleuropa war der Pilz vor allem als Fliegenfalle bekannt. Zerkleinert in Milch gelegt, zog er Fliegen an, die dann an den enthaltenen Toxinen verendeten.
Seine auffällige Farbe machte ihn zudem zu einem beliebten Symbol für Glück, Schutz und Magie – nicht zuletzt in der Weihnachts- und Neujahrstradition. Auch in vielen Märchen und Kinderbüchern ist der Fliegenpilz präsent: In Grimms Märchen „Schneeweißchen und Rosenrot“ zum Beispiel wird ein Zauberwald beschrieben, in dem die Pilze leuchten. In modernen Illustrationen zu “Alice im Wunderland” sitzt die rauchende Raupe nicht selten auf einem Fliegenpilz – ein Bild, das seine psychedelische Wirkung symbolisiert. Der Pilz wurde also nicht nur wegen seiner Schönheit verehrt, sondern auch als Übergangssymbol zwischen Realität und Fantasie.
Heute erlebt der Fliegenpilz eine Art Renaissance, allerdings weniger zur Anwendung als vielmehr als Studienobjekt. Seine Hauptwirkstoffe Ibotensäure und Muscimol stehen im Zentrum neuer wissenschaftlicher Untersuchungen zu Bewusstseinsveränderung und Neurotoxizität.
Der Fliegenpilz ist kein Speisepilz
Den Fliegenpilz sollte man nicht essen: Er gilt als giftig! Zwar kursieren vereinzelt Hinweise, dass durch spezielle Zubereitung (mehrmaliges Abkochen und Wegschütten des Wassers) ein gewisser Genuss möglich sei, doch das Risiko bleibt hoch. Seine Giftstoffe wirken stark auf das zentrale Nervensystem und können Halluzinationen, Übelkeit, Schwindel und in Einzelfällen auch schwere Vergiftungen verursachen.4
Deshalb: Der Fliegenpilz hat in der Ernährung nichts verloren. Wer essbare Pilze sucht, sollte sich lieber an den Parasolpilz oder Steinpilze halten.
Keine heilenden Anwendungen beim Fliegenpilz
Auch wenn der Fliegenpilz nicht für die Selbstmedikation geeignet ist, wurde er in der Volksheilkunde einst erstaunlich vielseitig verwendet. Auszüge aus dem Pilz dienten etwa zur äußeren Behandlung von Rheuma und Nervenschmerzen. In Form von Tinkturen oder Salben wurde er in winzigen Mengen auf schmerzende Stellen aufgetragen.5
Die enthaltenen Wirkstoffe, insbesondere Ibotensäure und Muscimol, wirken neuroaktiv. Sie beeinflussen das zentrale Nervensystem und können sedierend, halluzinogen oder krampflösend wirken. In hohen Dosen sind sie jedoch toxisch.4
Wichtig: Solche Anwendungen sind heute nicht mehr üblich und können gefährlich sein. Die Selbstherstellung von Heilmitteln aus dem Fliegenpilz ist ausdrücklich nicht zu empfehlen.
Aussehen und Erkennungsmerkmale
Der Fliegenpilz ist leicht zu erkennen. Sein roter Hut mit weißen Punkten ist ikonisch. Der Hut kann bis zu 20 cm breit werden, ist zunächst halbkugelig und später flach. Die Punkte sind eigentlich Velumreste. Also Reste einer schützenden Hülle.
- Die Lamellen sind weiß, frei stehend und dicht. Der Stiel ist weiß, besitzt einen häutigen Ring (manschettenartig) und eine knollige Basis mit wulstiger Hülle (Volva). Der Pilz riecht mild-pilzig, manchmal etwas süßlich. Die Sporen sind weiß.
- Verwechslung ist möglich mit dem essbaren Kaiserling (Amanita caesarea), der jedoch eine goldgelbe Hutfarbe und keinen weißen Punktbesatz hat – sowie mit anderen Amanita-Arten, von denen viele ebenfalls giftig sind.
- Der Fliegenpilz wächst am liebsten unter Birken, Fichten oder Kiefern – meist in Symbiose mit den Wurzeln.
- Er bevorzugt saure, nährstoffarme Böden und ist zwischen Juli und Oktober zu finden.
- Häufig teilt er sich seinen Standort mit beliebten Speisepilzen wie dem Steinpilz (Boletus edulis), da beide ähnliche Standortansprüche haben. Wer also nach Steinpilzen sucht, entdeckt nicht selten auch den auffälligen Fliegenpilz in der Nähe. Das ist ein nützlicher Hinweis für Pilzsammler, aber auch ein wichtiger Warnhinweis zur Unterscheidung.
Vielleicht hast du ihn schon im Wald gesehen, fotografiert oder Geschichten über ihn gehört? Teile sie gern mit uns in den Kommentaren – wir freuen uns auf deine Eindrücke!
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Steckbrief
- Kurzbeschreibung
- Roter Hut mit weißen Punkten, weißer Stiel mit Ring und Knolle
- Lateinischer Name
- Amanita muscaria
- Andere Namen
- Fliegentöter, Glückspilz, Fliegenfänger
- Familie
- Wulstlingsverwandte (Amanitaceae)
- Erntemonate
- Jul - Okt
- Fundorte
- Unter Birken, Fichten, Kiefern – in Misch- und Nadelwäldern
- Verwechslungsgefahr
- Kaiserling, Pantherpilz, Perlpilz
- Giftigkeit
- giftig
- Hinweise zur Giftigkeit
- stark giftig
- Warnungen
- Enthält Ibotensäure und Muscimol – neurotoxisch, halluzinogen
- Inhaltsstoffe
- Ibotensäure, Muscimol
- Eigenschaften
- halluzinogen, neurotoxisch
- Erkennung / Sammeltipps
- Auffälliger roter Hut, weiße Lamellen, Ring und Knolle beachten
- Anbau
- Nicht kultivierbar – auf Mykorrhizapartner angewiesen